Gegen Ende des letzten Schuljahres hatten alle Englisch- und Physikkurse die Möglichkeit, an einem Gespräch mit dem an der Pennsylvania State University tätigen Physikprofessor Eugenio Bianchi teilzunehmen. Dieser war am 19. Juli ans Oberstufengymnasium gekommen, um uns in einem Vortrag über Astrophysik einen Einblick in seine Arbeit als theoretischer Physiker zu gewähren.
Als junger Physiker lernte er in Italien Carlo Rovelli kennen, mit dem er bis heute gut befreundet ist und regelmäßig Zeit verbringt. Auch in Bezug auf die eigene Arbeit zeigt sich diese Zusammenarbeit:
genau wie Rovelli ist Bianchi ein Anhänger der relationalen Interpretation der Quantenmechanik, die davon ausgeht, dass es nicht eine einzige, objektive Perspektive auf den Zustand des (physischen) Universums gibt, sondern dieser Zustand abhängig von der innerhalb des Universums eingenommenen Perspektive eines Objekts und dessen Verhältnis zu anderen Objekten ist. Zur Zeit verfolgt Professor Bianchi in seinen Forschungen den Gedanken, dass die Raumzeit nicht grundlegender „Rahmen“ des Universums ist, sondern aus der Quantenphysik hervorgehen könnte.
Im Vorfeld des Gesprächs hatte es die Möglichkeit gegeben, ihm unsere Fragen online zukommen zu lassen, die er nach besten Bemühungen in den Vortrag, den er nun hielt, einfließen ließ.
Eine der Fragen bezog sich beispielsweise darauf, was mit einem sterbenden Stern geschieht.
Professor Bianchi nutzte diese Frage, um in seinen Vortrag über schwarze Löcher einzuleiten. Nach Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie wird die Raumzeit von allen sich in ihr befindlichen Körpern, die über eine Masse verfügen, gekrümmt; je höher die Masse, desto stärker die Krümmung. Wenn ein sehr massereicher Stern, wie etwa ein „roter Riese“, in einem als „Supernova“ bekannten Vorgang explosionsartig seine äußeren Schichten in den Kosmos hinausschleudert, kollabiert der Kern dieses Sterns unter seiner eigenen Gravitation. Da dieser Kollaps kein identifizierbares Ende aufweist, vermuten viele Physiker, dass sich die gesamte Masse des Sterns auf einen einzigen Punkt ohne räumliche Ausdehnung mit unendlicher Dichte konzentriert, der die Raumzeit so stark krümmt, dass er förmlich ein „Loch“ in ihre Struktur reißt – warum ist dieses Loch aber schwarz? Das liegt daran, dass die Anziehungskraft des schwarzen Lochs so enorm ist, dass selbst das Licht ab einem als „Ereignishorizont“ bezeichneten Abstand zum Kern des schwarzen Lochs nicht mehr in der Lage ist, zu entkommen, wodurch das schwarze Loch selbst finster erscheint. Trotzdem sind schwarze Löcher nicht unbedingt dunkel: zwar leuchten sie selbst nicht, doch die Lichtmengen, die aufgrund der gigantischen Anziehungskraft um das schwarze Loch herumkreisen, den Ereignishorizont aber noch nicht überschritten haben, lassen sich oft auch von der Erde aus beobachten.
Wenn ein mutiger Abenteurer versuchte herauszufinden, wie es ist, in ein schwarzes Loch zu fallen, so fände er einen grausamen Tod. Sein Körper würde in die Länge gezogen, weil seine Füße – unter der Annahme, dass er mit den Füßen voran ins schwarze Loch gesprungen ist – stärker angezogen würden als sein Oberkörper. Diesen Effekt bezeichnete Bianchi mit einem sanften Lächeln als „Spaghettifizierung“.
Nach dem Vortrag hatten wir schließlich noch die Möglichkeit, weitere Fragen zu stellen oder auch ein Foto mit ihm zu machen. Danach hatte ich glücklicherweise noch die Möglichkeit, kurz mit Professor Bianchi zu sprechen. Es war eine sehr spannende Erfahrung, den Ausführungen eines aktiv forschenden theoretischen Physikers zu lauschen und Einblicke in Bianchis Lebensweg und Arbeit zu erhalten.
Johannes Furch