Nach dem Abitur habe ich ab September eine dreijährige Ausbildung zur Herrenmaßschneiderin in Dresden an der Semperoper gemacht.
Dazu habe ich mich ca. ein Jahr vorher, nachdem ich in den Osterferien ein Praktikum in der Herrenschneiderei des Landestheaters Eisenach absolviert habe, entschieden. Im November und Dezember vor dem Abi habe ich mich an über 40 Theatern initiativ beworben. Bei einer Handvoll Betrieben wurde ich vorstellig und die meisten Bewerbungsgespräche und das Probearbeiten fanden während der Prüfungsphase statt.
Anfang Juni hatte ich endlich die Zusage aus Dresden. Dann fing auch schon die WG-Suche an und im Juli wurde ich fündig. Der Umzug folgte dann Ende August und im September begann mein Leben als Lehrling.
Welchen Studien-/Ausbildungsgang habe ich eingeschlagen?
Die korrekte Berufsbezeichnung lautet Ausbildung zur „Maßschneiderin Fachrichtung Herren“, kurz „Herrenmaßschneiderin“.
Hierbei handelt es sich um eine duale Ausbildung, d.h. man lernt den praktischen Teil im Betrieb und den theoretischen Teil in der Berufsschule. In meinem Fall bedeutete das, Blockunterricht in der Berufsschule (2-3 Wochen am Stück alle 2-3 Monate) und sonst 40 Stunden/Woche in der Schneiderei.
Habe ich mich richtig entschieden oder habe ich noch einmal gewechselt?
Ich bin absolut zufrieden mit meiner Entscheidung. Auch wenn ich während der Ausbildung hin und wieder Zweifel hatte, haben mich diese nur bestärkt.
Ich habe vor, meinen erlernten Beruf weiter auszuüben, bin aber auch offen, falls sich etwas anderes eröffnet oder ich den Beruf als Maßschneiderin aus welchen Gründen auch immer nicht mehr ausüben kann.
Wie hat mir mein Studium/meine Ausbildung gefallen?
Die Ausbildung hat mir gut gefallen, denn ich hatte einen guten Ausbildungsbetrieb und vor allem eine klasse Ausbilderin. Mir ist bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist.
Ich habe so viel gelernt!
Nicht nur den Beruf an sich, sondern auch alles Drumherum: Selbstständigkeit, Geduld beim Erlernen, Unabhängigkeit, ein Auge für Perfektion, das Entdecken einer Ästhetik und und und…
Am Anfang war es zwar eine Umstellung um 7:00 mit der Arbeit zu beginnen, aber man gewöhnt sich ziemlich schnell daran.
Ich bin mit Theater groß geworden. Daher war es eine wunderbare Zeit so umgeben von Kunst und dieser Parallelwelt. Noch nie war ich in so vielen Vorstellungen wie zu dieser Zeit.
Wie war ich darauf durch die Schule vorbereitet?
Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Rein technisch gar nicht. Werken oder Handarbeit steht ja nicht gerade auf dem gewöhnlichen Lehrplan.
Dennoch hat man gelernt, sich zu organisieren und gelernte Abläufe oder Muster anzuwenden. Man hat zum Beispiel im Deutschunterricht gelernt, Texte in einem bestimmten Muster zu verfassen oder im Sportunterricht gewisse Bewegungsabläufe.
So ähnlich war das auch in der Lehre: Ich habe gelernt, wie das Nähgut unter der Nähmaschine zu führen ist, wie man ein Sakko in Form bügelt und in welcher Reihenfolge welches Kleidungsstück zu fertigen ist.
Die Berufsschule dagegen ist mir nach dem Abi leicht gefallen. Das ist ja nichts anderes als in der „normalen“ Schule, nur dass alles fachspezifischer und praxisnah gestaltet ist.
Was mache ich jetzt beruflich?
Seit einem Jahr arbeite ich als Geselle im Meininger Theater.
Das beinhaltet hier, dass ich die meiste Zeit als Maßschneider in der Schneiderei Kostüme für Produktionen anfertige, aufarbeite und repariere. Dann habe ich noch den sogenannten Abenddienst. Heißt, ich betreue die Darsteller während der Vorstellung hinsichtlich derer Kostüme (die Herrenschneider*innen die Herren, die Damenschneider*innen die Damen).
Das hört sich im ersten Moment merkwürdig und überflüssig an, aber die Darsteller haben nicht nur 3-5 Produktionen parallel laufen, sondern auch bis zu 6/7 Kostüme pro Vorstellung. Und damit alle ihr richtiges Kostüm zur richtigen Zeit tragen, sortieren die Ankleider*innen die Kostüme vor Beginn der Vorstellung. Diese werden in den Garderoben in der richtigen Reihenfolge zurechtgelegt. Oft gibt es Umzüge: Die Darsteller*innen müssen ihr Kostüm in kurzer Zeit wechseln. Da bleibt keine Zeit, um in die Garderobe zu gehen und sich in Ruhe umzuziehen. Die Kostüme werden meist auf der Seitenbühne zurechtgelegt und die Ankleider*innen helfen beim Umkleiden.
Nach der Vorstellung werden alle Kostüme wieder sortiert, gewaschen oder gereinigt und ordentlich verstaut.
Der Beruf macht mir Spaß und bietet immer Möglichkeiten, sich weiterzubilden.
Charlotte Perels